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            DIE GUTHERZIGE GERDA 
            Zur politischen Ökonomie der Zauberfeen 
             
            
            
            
            
            
            
            In grauer Vorzeit, als unsere alt gewordene Welt noch jung 
und bunt war und erfüllt von Leben, lebte im Lande König Gunthers der arme 
Köhler Kunz. 
            
            
            
            
            
            
            Der arme Köhler Kunz war Köhler und hieß Kunz, weil schon 
sein Vater Köhler gewesen war und Kunz geheißen hatte. Arm war er aus den 
nämlichen Gründen. Dem armen Köhler Kunz konnte so leicht keiner etwas 
vormachen. Er war nicht mehr der Jüngste, er kannte das Leben und das Leben 
kannte ihn, und die beiden mochten sich nicht besonders. 
            
            
            
            
            
            
            Auf seine Köhlerhacke gestützt, starrte Kunz 
in den träge vor sich hinglimmenden Holzkohlenmeiler, als er eine Erscheinung 
hatte. 
            
            
            
            
            
            
             Erst war ein Flimmern und Flackern um ihn, dann erschien aus 
dem Nichts und Nirgendwo eine schöne, junge Frau in der Lichtung des Waldes. 
            
            
            
            
            
            
            „Wer bist du?“ fragte der Köhler, der von dergleichen 
Erscheinungen schon gehört hatte. 
            
            
            
            
            
            
            „Ich bin die Wunschfee Gerda und 
ich habe beschlossen, dir drei Wünsche zu erfüllen.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Und was wünscht man bei solchen Gelegenheiten für 
gewöhnlich?“ 
            
            
            
            
            
            
            „Hast du keine Wünsche aus dir selbst?“ 
            
            
            
            
            
            
            „Na ja, mehr als drei. Das ist mein Problem.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Laß Herz und Verstand sprechen und entscheide spontan.“ 
            
            
            
            
            
            
            Kunz hatte von beidem nicht im Übermaß und so setzte er sich 
ins Gras, barg den Kopf in den schweren Grübelhänden und dachte nach. „Ich 
möchte,... nein, warte... - Ich glaube, ich möchte König sein“, sagte er dann 
plötzlich. 
            
            
            
            
            
            
            „So sei es“, sprach Gerda feierlich, streckte ihre Finger aus 
und die Finger machten „blimp“. 
            
            
            
            
            
            
            Einen Moment lang dachte Kunz, es habe sich nichts 
verändert. Dann sah er das edelsteinblinkende Szepter in seiner Rechten, sah den 
purpurnen Königsmantel von seiner Schulter hängen und spürte die goldene Krone 
auf seinem Haupt. 
            
            
            
            
            
            
            Eine Weile stand König Kunz da und konnte sein Glück nicht 
fassen. Bis ihn jähe Panik erfaßte. 
            
            
            
            
            
            
            Hastig warf er den Krönungsmantel ab, legte Krone und Szepter 
darauf. Unerachtet ihm eine Dame dabei zusah, riß er sich auch die übrigen 
Königsgewänder vom Leib. Da Purpur, Gold und Edelstein immer noch glitzerten und 
blinkten, griff der König nach der Köhlerdecke und warf sie rasch über die 
funkelnde Pracht. 
            
            
            
            
            
            
            Nun erst, da Kunz sah, wie Gerda schamhaft errötend ihren 
Blick zur Seite wandte, wurde er gewahr, daß er splitternackt auf der Lichtung 
stand. 
            
            
            
            
            
            
            „Oh!“ sagte er verlegen und bedeckte seine Blöße mit den 
Händen. 
            
            
            
            
            
            
            „Was soll jetzt das?“ fragte Gerda, vorsichtig über die 
Schulter blickend. 
            
            
            
            
            
            
            „Soll ich etwa in diesen Kleidern auf der Waldlichtung 
herumstehen?.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Ich habe schon schlechter gekleidete Männer gesehen.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Und wenn mich einer sieht?“ 
            
            
            
            
            
            
            „Wird er dir als König huldigen.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Ha!“ schnaubte Kunz. „Huldigen! Wenn ich Glück habe, 
erschlägt er mich und raubt die Kostbarkeiten.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Ach Gott!“ rief Gerda erschrocken. „Und was passiert, wenn 
du kein Glück hast?“ 
            
            
            
            
            
            
            „Dann übergibt er mich den Schergen des Grafen. Tot sein ist 
eine Gnade im Vergleich.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Aber, aber, König Kunz. Wenn einer Angst haben muß, dann ist 
es der Graf - vor dir und deinen Kriegsmannen.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Kriegsmannen? - Ach so“, grinste er dann, „du meinst, ich 
könnte mir welche wünschen?“ 
            
            
            
            
            
            
            „Nein. Aber man kann Menschen kaufen.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Und womit?“ 
            
            
            
            
            
            
            „Mit dem Gold aus der Schatzkammer deiner Königsburg.“ 
            
            
            
            
            
            
            Nun begriff der Köhler. „Ich wünsche mir“, sagte er, „eine 
Burg und eine stets gefüllte Schatzkammer.“ 
            
            
            
            
            
            
            Gerda hob ihren Wunschfinger und machte zweimal „Blimp“. 
            
            
            
            
            
            
            Kaum war das Zauberblimp 
verklungen, knirschte und knackte es im Erdreich, wie es der Köhler noch nie im 
Erdreich hatte knirschen und knacken hören. Der Waldboden wankte und öffnete 
sich und aus der Erde erhob sich ein Berg. Der Berg wuchs und wuchs, und als er 
hoch genug war, eine Burg zu tragen, wuchs eine Burg aus ihm. 
            
            
            
            
            
            
            „Jetzt“, sprach der ehemalige Köhler zufrieden, „kann mein 
Leben als König Kunz I. beginnen.“ 
            
            
            
            
            
            
            Mit aller Würde, die er seinem neuen Stand als König schuldig 
war, hob er die Königsgewänder auf, die er eben noch hastig und angstvoll von 
sich geworfen hatte. 
            
            
            
            
            
            
            „Ich an deiner Stelle würde mich beeilen, daß ich in die Burg 
komme“, sagte Gerda zu Kunzens nacktem Rücken. 
            
            
            
            
            
            
            „Warum?“ 
            
            
            
            
            
            
            „Darum!“ 
            
            
            
            
            
            
            Kunz schaute sich um und sah einige Leute aus dem Wald 
treten, die, mit allerlei waffentauglichem Gerät versehen, entgeistert die plötzlich entstandene Burg bestaunten. 
            
            
            
            
            
            
            Rasch packte Kunz sein Bündel unter den Arm und rannte, nackt 
wie er war und so schnell er nur konnte, den Burgberg hinauf, in die schützenden 
Mauern. 
            
            
            
            
            
            
            Gerda nickte zufrieden, als die schweren Torflügel des 
Burgtores zuschlugen und löste sich dann in Luft auf. 
            
            
            
            
            
            
            Zwei der herangeeilten Männer berichteten später von einem 
nackten Mann, der den Berg hinaufgelaufen sei und von einer schönen, kaum 
bekleideten Frau, die sich vor ihren Augen in ein Wölkchen verwandelt hätte. Da 
beide als Trunkenbolde im Dorfe bekannt waren, schenkte niemand ihren 
Erzählungen Glauben. 
            
            
            
            
            
            
            Noch am selben Tage warb Kunz einige starke Männer als 
Leibgarde an. Auch andere Bewohner des Dorfes fanden eine Anstellung in Küche, 
Stallung oder wo auch immer. Dorfdodel Erwin jedoch 
wurde zum königlichen Hofnarren ernannt. 
            
            
            
            
            
            
            So entwickelte sich alles prächtig und zum Besten und König 
Kunz und die Seinen lebten glücklich und zufrieden. 
            
            
            
            
            
            
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            Drei Tage später berichtete ein müder Reiter auf erschöpftem 
Pferd König Gunther, daß drei Tageritte von hier entfernt eine neue Burg aus der 
Erde gewachsen sei. König Gunther lachte herzlich über diesen Unfug, nur sein 
Leibarzt meinte, es gebe mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als unsere 
Schulweisheit sich träumen lasse. 
            
            
            
            
            
            
            Mit dieser Bemerkung fiel Dr. Siegfried bei seinem König auf 
der Stelle in Ungnaden. Gunther, der nie im Leben eine Schule besucht hatte, 
schickte ihn aus, die angeblich aus dem Boden gewachsene Burg zu beschauen. 
            
            
            
            
            
            
            Kunz, der die vornehme Küche nicht gewöhnt war, litt an 
heftigen Verdauungsbeschwerden, was ihn empfänglich machte für die Idee, einen 
Leibarzt anzuwerben. Anstelle von Dr. Siegfried kehrte deshalb der unbedeutendste Knecht aus seiner Begleitschutztruppe 
zurück, um dem Posten am Burgtor auszurichten, Dr. Siegfried samt 
Begleitschutztruppe sei ab sofort in Diensten König Kunzens des Ersten. Sprach’s und ritt zurück, eine bedeutend besser bezahlte 
Stelle als unbedeutendster Knecht in Kunzens 
Begleitschutztruppe anzutreten. 
            
            
            
            
            
            
            Diese Wendung der Dinge wollte König Gunther gar nicht 
gefallen. Zwei Könige auf dem Boden 
            eines Königreiches - das konnte nach 
allen Regeln des Königtums nicht gut gehen. Und es ging nicht gut. 
            
            
            
            
            
            
            Es kam zum Krieg und wäre fast auch zum Kampf gekommen, hätte 
nicht Kunz allen Soldaten Gunthers, die zu ihm überliefen, das doppelte ihres 
Soldes versprochen. 
            
            
            
            
            
            
            Übrig blieben Gunther und jene, die zu nahe bei ihm standen, 
um sich unauffällig zu entfernen. 
            
            
            
            
            
            
            König Gunther mußte sich seinem neuen Kollegen kampflos 
ergeben und wurde dafür reich belohnt. Kunz schickte ihn in die Verbannung, 
anstatt ihm den Kopf abzuschlagen, wie es damals der Brauch war. 
            
            
            
            
            
            
            Gunthers Königreich war nun im Besitz des ehemaligen Köhlers. 
Und da Macht Appetit auf mehr Macht macht, konnte es 
nicht ausbleiben, daß bald das nächstbenachbarte 
Königreich zur Eroberung anstand und auf die bewährte Art und Weise erobert 
wurde. 
            
            
            
            
            
            
            Je mehr Untertanen aber König Kunz hinzugewann, desto 
mächtiger wurde er. 
            
            
            
            
            
            
            So also entwickelte sich alles prächtig und zum Besten und 
König Kunz und die Seinen lebten glücklich und zufrieden. 
            
            
            
            
            
            
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            Nun geschah es aber, daß König Kunz I. sich nach der 
unblutigen Eroberung des fünften Königreiches zum „Kaiser Kunz der Große“ 
ernannte. Zur Feier des denkwürdigen Ereignisses gab es auf der Kaiserburg ein 
rauschendes Fest, bei welchem der Wein aus allen Krügen in Strömen floß, das 
Gras in dicken Wolken aus allen Pfeifen quoll. Und es war ein Hackedichtsein, 
wie es auf Erden lange nicht mehr ein Hackedichtsein gegeben hatte. Der Betrunkenste und Bekiffteste von allen aber war der neue 
Kaiser. 
            
            
            
            
            
            
            Als das Fest seinen Höhepunkt überschritten hatte, ein Ende 
aber nicht absehbar war, wandte sich der Kaiser an seinen liebsten Zechgenossen 
Erwin, der es als Narr der Ersten Stunde zum kaiserlichen Oberhofnarren gebracht 
hatte. 
            
            
            
            
            
            
            „Weißu...?“ fragte der Kaiser 
seinen Narren, „...weißu eingdlch, wies kommt, daß ich Kaisa bin, hä?“ 
            
            
            
            
            
            
            „Nö.“ 
            
            
            
            
            
            
            Dieses schlichte „Nö“ verleitete 
den Kaiser dazu, seinem Narren die Geschichte von Gerda und den drei Wünschen zu 
erzählen; ein Geheimnis, das er bis dahin sorgfältig gehütet hatte. 
            
            
            
            
            
            
            Nachdem Kunz mit einem trunkenen Kichern seine Erzählung 
geendet hatte, nahm Erwin einen tiefen Schluck aus seinem Becher, kippte nach 
hinten und schlief ein. 
            
            
            
            
            
            
            Am nächsten Morgen konnte sich Erwin weder an Kunzens 
Geschichte noch an das Fest als solches erinnern. Drei Tage später jedoch machte 
es „Schlkonk!“ in Erwins Narrenhirn und die 
Geschichte mit Gerda, der Wunschfee, war wieder 
da. 
            
            
            
            
            
            
            Unter einem nichtigen Vorwand stahl sich Erwin fort aus der 
Burg und ging in den nahegelegenen Wald. Er breitete die Arme aus und rief, so 
laut er nur konnte, nach Gerda, der Wunschfee. 
            
            
            
            
            
            
            Nun weiß natürlich jeder, daß eine Wunschfee nach eigenem Gutdünken zu dir kommt oder eben - 
meistens - nicht. Jeder weiß das, außer Erwin. 
            
            
            
            
            
            
            Kaum hatte Erwin die Worte ausgesprochen, da war ein Flimmern 
und Flackern um ihn und aus dem Nichts und Nirgendwo erschien eine schöne, junge 
Frau in der Lichtung des Waldes. 
            
            
            
            
            
            
            „Du mußt Gerda sein“, sagte Erwin zu der jähen Erscheinung. 
„Die Wunschfee Gerda.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Und du bist ein Narr.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Woher weißt du?“ 
            
            
            
            
            
            
            „Lassen wir das. Was willst du?“ 
            
            
            
            
            
            
            „Ich möchte“, kam Erwin ohne Umschweife zur Sache, „gerne 
drei Wünsche haben.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Das kannst du. Wenn du dich ein wenig beschränkst.“ 
            
            
            
            
            
            
            Gerda machte eine schnelle Geste, von der man nicht so genau 
sagen konnte, ob sie grüßend oder unwirsch gemeint war und war bereits wieder 
halb im Nichts und Nirgendwo verschwunden, als Erwin, so rasch wie noch nie in 
seinem Leben zuvor nach ihr griff und sie im Hier und Wald zurückhielt. 
            
            
            
            
            
            
            Gerda konnte vieles, aber sich in Nichts auflösen, während 
sich ein Sterblicher an sie klammerte - das konnte sie nicht. 
            
            
            
            
            
            
            „Was ist denn noch?“ grummelte sie ärgerlich. 
            
            
            
            
            
            
            „Ich möchte, daß du mir drei Wünsche erfüllst.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Das geht nicht.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Wa - 
rum nicht?“ 
            
            
            
            
            
            
            „Da - rum 
nicht.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Dem Köhler Kunz seine Wünsche hast du aber auch 
erfüllt.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Das war was anderes.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Und was war anders?“ 
            
            
            
            
            
            
            „Den armen Köhler Kunz habe ich selber erwählt.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Na also, dann erwähle jetzt mich.“ 
            
            
            
            
            
            
            Gerda stöhnte über soviel Dreistigkeit, blieb aber hart: 
„Nein!“ 
            
            
            
            
            
            
            „Was hat denn den Köhler Kunz vor mir ausgezeichnet?“ 
            
            
            
            
            
            
            „Nichts. Nur der Umstand, daß das Los zufällig auf ihn 
fiel.“ 
            
            
            
            
            
            
            Das ging noch eine ganze Weile so dahin, bis Gerda 
schließlich sämtliche Sicherungen durchbrannten und sie den Narren Erwin 
anschrie: „Dann sag endlich, was du dir wünscht und dann verschwinde!“ 
            
            
            
            
            
            
            Erwin sagte seine Wünsche auf - König sein, Burg und 
Schatzkammer - und bekam sie umgehend erfüllt. 
            
            
            
            
            
            
            Da König Erwins neue Burg in Sichtweite der Kaiserburg jäh 
gewachsen war, dauerte es nur Minuten, bis Kunz die Nachricht von dem Wunder 
überbracht wurde. Der Kaiser wußte besser als jeder andere, was das zu bedeuten 
hatte und er rüstete umgehend zum Krieg. 
            
            
            
            
            
            
            König Erwin, der noch keine Zeit gehabt hatte, Truppen 
anzuwerben, beschoß das heranrückende Heer mit Gold und Edelsteinen, mit der 
Folge, daß alle Mann zu ihm überliefen und Kunz ein zweites Heer losschicken 
mußte, das erste zu bekämpfen. 
            
            
            
            
            
            
            Das gestaltete sich etwas schwierig. Kunz und Erwin hatten 
beide nie versiegende Schatzkammern, wodurch das Edelsteinwerfen rasch 
ausuferte und schließlich nicht mehr funktionierte. Nach Jahren des blutigen 
Krieges einigte man sich auf eine Teilung sowohl des Reiches als auch des 
Titels Kaiser. 
            
            
            
            
            
            
            Bei den Feierlichkeiten anläßlich der Unterzeichnung des 
Staatsvertrages offenbarte der schwerstbetrunkene Kaiser Erwin einer 
Hühnermagd, mit der ihn seit drei Tagen ein Techtelmechtel verband, das 
Geheimnis seiner Macht. 
            
            
            
            
            
            
            Tags darauf wuchs aus dem Wald um Erwins Burg die Burg der 
Hühnermagd, und da auch Kunz anläßlich des vertraglichen Besäufnisses eine 
kleine Indiskretion begangen hatte, erschien wenige Stunden später eine weitere 
Burg. 
            
            
            
            
            
            
            Es kam zum Edelsteinwerfen, zum Krieg und schließlich zum 
Friedensvertrag. 
            
            
            
            
            
            
            Da im Folgenden mehr und mehr Menschen das Geheimnis um 
Gerda erfuhren, wuchsen die Burgen so schnell und zahlreich aus dem Boden, wie 
Pilze nach einem warmen Septemberregen. 
            
            
            
            
            
            
            Immer mehr Leute wurden zu Königen, die auf ihren Burgen 
saßen und es sich wohl sein ließen. Und das ehdem so 
arme und karge Land quoll über von Gold und Edelsteinen und Burgen sowieso. 
            
            
            
            
            
            
            So entwickelte sich alles prächtig und zum Besten und 
Tausende und Abertausende Könige und Königinnen lebten glücklich und 
zufrieden. 
            
            
            
            
            
            
            §%§%§%
            
            
            
            
            
            
            Vom Abendrot eines wunderschönen Tages überglänzt, stand 
Königin Sieglinde seufzend auf den Zinnen ihrer neuen Burg und schaute aus nach 
König Bernhard. 
            
            
            
            
            
            
            Des Morgens hatte sie den König mit einem Sack Edelsteine 
ausgeschickt, auf daß er in der Umgebung einige Kriegsmannen und Küchenmägde 
anwerbe. 
            
            
            
            
            
            
            Die Sonne war eben am Untergehen, als Sieglinde ihren Gemahl 
erblickte, der müden Schrittes aus dem Schatten der Nachbarburg trat und den 
steilen Weg zur eigenen Burg hinauf schlurfte. Allein. 
            
            
            
            
            
            
            „Es ist ein Jammer, Alte“, seufzte König Bernhard, und die 
Tränen standen ihm in den Augen. „Niemand will sich als Knecht oder Magd bei uns 
verdingen, nicht einmal für einen Sack Edelsteine.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Und warum dies, guter Mann?“ 
            
            
            
            
            
            
            „Jeder, buchstäblich jeder, war inzwischen dort, wo früher 
mal Wald gewesen war, und hat sich von Gerda eine Burg gewünscht und bekommen. 
Wir sind Könige, umgeben von Königen und nichts als Königen. Hier...“ König 
Bernhard schlug seinen brokatenen Königsmantel zur 
Seite und holte darunter ein kleines Leinensäckchen heraus. „Hier sind einige 
Zwiebeln und Möhren und sogar ein halbes Hühnchen. Die hat mir ein mitleidiger 
Nachbarkönig gespendet, damit wir nicht zu sehr Hungers leiden müssen.“ 
            
            
            
            
            
            
            Und König und Königin aßen davon und weinten bitterlich über 
ihr Elend. 
            
            
            
            
            
            
            Das Land, das ehdem von Wald 
bedeckte, mit Feldern gesprenkelte, Wild und mancherlei Feldfrucht tragende 
Land, war nunmehr übersät mit Burgen und vollgepfropft mit Königen. Da es keine 
Wälder mehr gab, in denen man hätte jagen können, keine Felder, die man hätte 
bestellen können, brach eine furchtbare Hungersnot aus. Tausende 
schwerbewaffnete Könige bekriegten sich erbittert, eigenhändig gingen sie mit 
den besten und schärfsten Schwertern aufeinander los, um sich gegenseitig die 
wenigen verbliebenen Nahrungsmittel abzunehmen. 
            
            
            
            
            
            
            Viele wurden erschlagen, manche stürzten sich von den Zinnen 
ihrer Burgen, wieder andere verhungerten ganz einfach. Der Tisch für Raben und 
Geier war reich gedeckt. 
            
            
            
            
            
            
            Es war ein Wahnsinn. 
            
            
            
            
            
            
            Der totale Wahnsinn war das. 
            
            
            
            
            
            
            §%§%§%
            
            
            
            
            
            
            Hungrig und müde und sturzbetrunken saß der arme 
Schuster Alfons auf einem Stein am Wegesrand, dort wo sich die Wege von fünf 
Burgbergen herab kreuzten. 
            
            
            
            
            
            
            Als er eine Erscheinung hatte, schob er es nicht eine Sekunde 
lang auf den reichlich genossenen Wein. Er wußte, das konnte nur Gerda sein, die 
gutherzige Gerda. 
            
            
            
            
            
            
            „Hallo, Gerda“, sagte er trunken und hob matt die Hand zum 
Gruße. „Was führt dich zu mir?“ 
            
            
            
            
            
            
            „Du.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Ich? Ich habe dich nicht gerufen.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Eben, Alfons, eben. Du bist der letzte Bewohner dieses 
großen Landes, der mich noch nicht gerufen hat, auf daß ich ihm seine 
sehnlichsten Wünsche erfülle.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Mich brauchst du nicht unglücklich zu machen. Ich bin 
ruiniert durch das Unglück der anderen.“ 
            
            
            
            
            
            
            „Ob du das alles nicht ein bißchen zu düster siehst, Schuster 
Alfons?“ 
            
            
            
            
            
            
            Alfons lachte, ein heiseres, böses Lachen. „Weißt du, was ich 
mir wünschen würde, wenn ich mir was wünschen dürfte?“ 
            
            
            
            
            
            
            „Sag es, Alfons. Sag es mir.“ 
            
            
            
            
            
            
            Wenn eine Wunschfee so etwas zu dir 
sagt, solltest du die folgenden Worte ganz genau wägen, ehe du sie 
aussprichst. 
            
            
            
            
            
            
            Alfons wog nicht. 
            
            
            
            
            
            
            Er stand auf, vom Weine schwankend, reckte die abgemagerten 
Arme gen Himmel und rief: „Oh, käme doch, endlich, ein riesengroßer Arsch und 
schisse alles zu!“ 
            
            
            
            
            
            
            Der Arsch kam nicht, aber es erhob sich mit schrecklichem 
Brausen das tosende Meer und verschlang das ganze, von entsetzlich wuchernder 
Burg-Akne überzogene Land. 
            
            
            
            
            
            
            So entstand mit dem Untergang von Atlantis die Sage vom 
Untergang von Atlantis. 
            
            
            
            
            
            
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