Besucherstatistik



Paradoxie als Lösung

Manchmal kann man sich in einem Streit dadurch durchsetzen oder Konflikte gar von vornherein vermeiden, daß man sich schlicht weigert, sich vernünftig - vernünftig im Sinne der Situation - zu verhalten.

Ephraim Kishon erzählt einmal die Geschichte eines Autofahrers, der nach einer Verkehrsübertretung von einem Polizisten angehalten wird. Der Autofahrer, der inzwischen aus dem Wagen gestiegen war, ließ sich aufseufzend zu Boden fallen und rief "Nein! Neeeeiiiin! Bitte nicht mehr schlagen!", während er sich auf dem Boden wälzte wie nach einem heftigen, schmerzhaften Schlag. Der Polizist, der inzwischen zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit sämtlicher Passanten geworden war, scheuchte den Autofahrer in den Wagen zurück und hieß ihn sich trollen - ohne Strafmandat, versteht sich.
Vor vielen, vielen Jahren habe ich mal die Geschichte eines US-Senators gelesen, dem nachts auf einer Straße in Washington ein Räuber mit vorgehaltener Pistole die bekannte Frage stellte: "Geld oder Leben?" Der Senator meinte, er, der Räuber, könne beides haben. Er sei unheilbar krank, habe sich deswegen schon umbringen wollen, aber nie den Mut dazu gefunden. Dies nun sei eine günstige Gelegenheit und er möge doch abdrücken und sich anschließend das Geld aus der Tasche fischen. Der Räuber floh, aufs Höchste irritiert.

Was haben die beiden Männer gemacht? Sie haben nicht das getan, was man in solchen Situationen vernünftiger- oder doch wenigstens üblicherweise macht. Der Autofahrer hat sich weder auf Leugnen oder Jammern verlegt noch cool gefragt, was der Spaß denn nun koste, auch der Senator hielt sich nicht an die Spielregeln eines Straßenraubs. Beide traten aus der Rolle, die ihnen die jeweiligen Gegenspieler zugedacht hatten heraus und begannen ihr eigenes, auf den ersten Blick völlig absurdes Spiel. Ein Spiel, mit dem ihre Gegenspieler überhaupt nichts anzufangen wußten. Für den Straßenräuber war die Drohung mit der Pistole ein Mittel gewesen, an das Geld zu kommen. Er war nicht drauf aus, sein Opfer zu töten, aber er hätte vermutlich keinerlei Skrupel gehabt, den Senator niederzuschießen, wenn der das Geld verweigert oder sich gar gewehrt hätte. So aber...
Auf die Bitte seines Opfers, ihn doch zu töten war er nicht vorbereitet gewesen.

Warum ich das erzähle?
Als damals der Jugoslawien-Konflikt eskalierte (und schließlich in Krieg und Gemetzel endete), habe ich mir manchmal gedacht: Wenn ich jetzt Außenminister wäre, dann würde ich öffentlich und stetig wiederholt die Jugoslawen, alle Jugoslawen, unabhängig von Nationalität und Religion, als Tschuschen beschimpfen, als widerliche, dreckige Tschuschen, die sich gefälligst nicht so aufführen sollten. Schließlich seien sie letztlich nichts als Tschuschen und ihren Stolz, Kroaten, Bosniaken oder Serben zu sein sollten sie sich gefälligst in ihren tschuschischen Drecksarsch schieben.
Mein lieber Schwan, wie wären diese Leute - gemeinsam - über mich hergefallen...
Geschmacklos? Freilich.
Aber lieber geschmacklos als Srebrenica.