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JUSTITIA

Ratschläge von der "basis"

Strafanzeige gegen Springer-­Ko­lumnist wegen Kriegshetze und Be­fürwortung von Gewalt

Gäbe es eine Justiz in diesem Lan­de, man müßte Schlimmes fürchten für Herrn Martin.

Paul C Martin, Wirtschaftsjourna­list und Kolumnist der "Welt am Sonntag", hatte in der Juli-Ausgabe seines Wirtschafts-Informati­ons­dienstes "basis" die Gefahr einer wirtschaftlichen Depression infolge Ölmangels beschworen und als The­rapie empfohlen: "Noch ist die Fahrt in eine neue Wirtschaftskrise zu stoppen: mit militä­rischen Mit­teln ... Die Antwort kann nur lau­ten: Einmarsch ... Das Kriegsrisiko ist minimal ... " (siehe Frankfurter Rundschau, 4.8.1979). Daraufhin hat der Staatsanwalt Anklage...

Nein, das stimmt natürlich nicht. Der Staatsanwalt hat gar nichts ge­tan. Kein Linker hat schließlich über die Legitimation politi­scher Gewalt laut nachgedacht; kein Anarcho­-Freak hat seiner Ohn­macht in kerni­gen Sprüchen Ausdruck verliehen - wie im berühmten Buback-Nachruf geschehen.

Ein Rechter hat bloß ein bißchen "Handlungen ... in der Absicht vorgenommen ..., das friedliche Zusam­menleben der Völker zu stö­ren, insbesondere die Führung eines An­griffskrieges vorzubereiten" (Ver­stoß gegen Art. 26 Grundgesetz); hat lediglich "Straftaten be­fürwor­tet, die den Bestand und die Sicher­heit der Bundesrepublik gefährden" (Verstoß gegen § 88a StGB), hat kaum mehr getan, als "zum Angriffskrieg aufgestachelt" (Verstoß gegen § 80a StGB). Kein Grund also für irgendeinen Staatsanwalt, den behaglichen Lehnstuhl zu verlassen. Es mußten ein Journalist aus Frank­furt und ein An­waltsbüro aus Darmstadt kommen, um Anzeige gegen den ehrenwerten Herrn Kriegsstachler zu erstatten.

Im Augenblick beschäftigen sich also die zuständigen Staatsanwälte pflichtgemäß mit den Strafanzeigen. Die Jagdhunde prüfen, ob sie sich zur Jagd tragen lassen wollen. Auch dieser Fall, es müßte denn die Erde sich andersrum drehen, wird zu ei­nem  Lehrstück in Klassenjustiz werden. Paul C. Martin wird ungeschoren davonkommen, ungeachtet der vielen Parallelfälle von links, in denen die befür­wortete Gewalt meist von geringerem Gewicht war und trotzdem zu Verurteilungen führte.

Gäbe es Juristen in diesem Land, es stünde schlimm um Herrn Mar­tin. Herr Martin, scheint mir, hat gut lachen in diesem Lande.

 
NACHTRAG zum Artikel über Paul C. Martins Invasionsgelüste

EINLADUNG NACH PERSIEN

An diesem Morgen, kurz vor Son­nenaufgang, sind sie mit dem Schnellboot von Dubai herüberge­kommen. "Der Strand ist der schöns­te, den ich je gesehen habe. In einem weiten Bogen läßt er das hellgrüne Wasser ans Land schwappen. Das Land ist die Insel Kish, ein paar Ki­lometer südlich der südlichsten Küste der islamischen Republik Iran. Die Berge des Festlandes verschwimmen hinter der Insel im Dunst. Wir sprin­gen mit aufgekrempelten Jeans in das warme Wasser und waten im Gänsemarsch, zehn Meter Abstand voneinander, an Land. Um die Brust hat jeder seine Uzi gehängt und mit Leukoplast zwei Ersatzmagazine drangeklebt. Was wir hier machen, erfüllt völkerrechtlich den Tatbe­stand der bewaffneten Aggression. 'Ganz ruhig bleiben, Junge,' ruft mir Mehdi zu, der schon am Ufer steht. 'Mit dem Schah hat sich auch seine Kaiserliche Marine aufgelöst. Ganz Persien ist offen wie ein Scheunentor.' (Welt am Sonntag, 2.9.79)

Was sich liest wie ein Auszug aus irgendeinem Agentenreißer ist Jour­nalisten-Prosa. Teil einer Reportage Paul C. Martins über sein bewaffne­tes Eindringen in persisches Hoheits­gebiet. Eine Insel zwar nur, die der Schah einst zum Super-Monster-Hy­per-Luxus-Ferienparadies ausbauen ließ, die heute vor sich hin gammelt, an deren Nutzung und Bewachung derzeit in Persien niemand ein Inter­esse hat. Persisches Territorium aber, trotz allem.

"Heute sind wir der Herr."

Nachdem er im Juli erst - unter Hinweis auf die (angeblich) geringe Verteidigungskraft dieser Länder - den Einmarsch des "Westens" im Erdöl-Islam empfohlen hatte, sucht er nun, im kleinen Maßstab, den Zaudernden ein Beispiel zu geben. "Vor einem Jahr hätte es kein Mensch gewagt, die Souveränität des Iran zu verletzen. Sie waren schnell, die Hovercraft und Aufklärungsboo­te der Kaiserlichen Marine. Damals war der Schah der Herr des Persischen Golfes. Heute sind wir der Herr." Keine Gefahr also für alle, die es Alexander dem Großen gleich­tun wollen. "Ganz Persien ist offen wie ein Scheunentor", wie gesagt.

Paul C. Martin hatte Glück bei sei­nem Abenteuer, kein persisches Pa­trouillenboot tauchte auf, sie zu be­lästigen. Glück auch für die Perser, denn: "Achmed, der mit dem Tur­ban, ist auf dem Speedboat geblie­ben, er bedient das Maschinenge­wehr, wenn es schiefgeht."

Hobby-Aggressor und Profi-Prahlhans

Ein bundesdeutsches Gesetz schützt ausländische Staatsober­häupter vor Beleidigung. Ich nehme an, hoffe wenigstens, daß also auch irgendein Gesetz deutschen Staatsbürgern das bewaffnete Eindringen in fremde Länder untersagt. (Und sei's nur deshalb, weil Krieg führen - ebenso wie das Herstellen von Geld und Leichen - seit jeher ein eifer­süchtig gehütetes staatliches Privi­leg ist.) Vielleicht war der Gesetz­geber sogar so schlau, auch das öf­fentliche Prahlen mit derlei Helden­taten zu verbieten, ganz zu schwei­gen vom Aufstacheln zu weiteren, größeren Verbrechen. Ferner ist zu hoffen - dies allerdings mit weniger Zuversicht - , daß irgendein Staats­anwalt den Hobby-Aggressor auf Grund dieser Gesetze zur Rechen­schaft ziehen wird.

Die alternative Lösung - daß näm­lich Herr Martin beim nächsten Abenteuer auf der Walstatt bleibt und in irgendeinem Sand verreckt - traut man sich eh kaum zu denken. Gegen solche öffentlichen Träume gibt es bestimmt ein Gesetz und ei­nen sühneheischenden Staatsanwalt dazu.