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Trulli
Wer schon mal in Apulien war oder wenigstens ein bißchen was über die süditalienische Region gelesen hat, der kennt auch die sog. trulli, merkwürdige Häuser mit spitzen Runddächern. Diese Häuser sind in Trockenbauweise errichtet, das heißt, es wurden Steine so kunstvoll aufeinander geschichtet, daß das Haus durch das Eigengewicht der Steine hielt, ganz ohne Mörtel. Auch das besteht aus Steinen.

Man trifft diese Trulli nur in Apulien - und in Rheinhessen. Nein, letzteres ist kein Witz, es sind auch keine Bauten aus neuerer Zeit. Sie wurden im 18. Jahrhundert in den Weinbergen als Schutzhütten von apulischen Arbeitern errichtet.



Was die apulischen Trulli betrifft, so rätselt man, warum gerade dort gerade diese Bauweise gewählt wurde. Eine Erklärung besagt, ein Grundherr habe im 17. Jahrhundert seinen Bauern befohlen, ihre Häuser ohne Zement, Mörtel und ohne Holz zu bauen, nur aus Stein. Wenn nun die königlichen Steuereintreiber im Anmarsch gewesen seien, so habe man die Steinhäuser ganz einfach abgebaut und später ohne viel Aufwand wiedererrichtet.


Ich dagegen glaube, daß sich die Bauweise der trulli zwanglos aus der Landschaft erklären läßt. Der Boden in Apulien ist fruchtbar, aber übersät mit Steinen, die man zwar entfernen kann, wobei immer neue Steine nachkommen. Normaler Ackerbau ist unter diesen Umständen fast nicht möglich, der beste Pflug wäre nach kurzem schon zuschanden. Also verlegt man sich in Apulien auf Bäume und Sträucher, die man nicht jedes Jahr neu anpflanzen muß, Oliven, Mandeln, Wein.

In einer solchen Gegend hat man wahrscheinlich schon sehr früh angefangen, in
Stein zu bauen, dieses Baumaterial ist überreichlich vorhanden. Wie aber kriegt man jetzt - ohne die Hilfsmittel der Moderne - über einem Haus ein Dach zusammen? Sowohl für das Giebeldach als auch für das Flachdach braucht man Stützbalken.


Bäume gibt es nun zwar in Apulien genug, aber diese Bäume sind andererseits sehr wertvolle Nutzbäume. Ein Olivenbaum ist keine Tanne, die dazu dient, Holz zu liefern und zu sonst nichts. Olivenbäume fällt man nicht vor der Zeit, es wäre ökonomischer Wahnsinn. Holz (sprich: bautechnisch verwertbares Holz) war also in Apulien, zumindest in der zona dei trulli eine große Kostbarkeit, und mit Kostbarkeiten geht man sparsam um. Dachstühle oder Flachdachverstrebungen aus Holz waren nicht drin. Ohne Stützbalken aber halten die üblichen Dachkonstruktionen die Steinlast nicht.


Man löste das Problem, indem man die in Apulien reichlich vorhandenen, flachen Steine zipfelmützenförmig aufeinanderschichtete, bis sie oben zusammentreffen und sich dann gegenseitig am Platz halten. Diese Konstruktion, eine genial einfache Konstruktion, hält - ganz ohne Holz.


Wenn man aus Holzmangel kein Flachdach errichten kann, kann man logischerweise auch keine Zwischendecke in ein Haus einziehen, woraus sich wiederum erklärt, weshalb die Trulli lediglich einstöckig sind.


Möglicherweise, wahrscheinlich sogar, hat meine schöne Theorie schwache Stellen. Ich bitte um Anregungen und Kritik.